24. Juli 2017

Wir sind die Anderen...






"Man muss Flügel haben, 
wenn man den Abgrund liebt"
 
 (Friedrich Wilhelm Nietzsche)







Geht es anderen Menschen genauso?
Dass sie sich haltlos fühlen und immer zwischen Suche und Verankerung pendeln?
Sich nie sicher sind, ob die Entscheidung, die sie treffen, auch wirklich die richtige ist?
Sich nie sicher sind, ob sie so, wie sie sind, ok sind?
Sich immer wieder hinterfragen, alles hinterfragen?
Oder reden diese Menschen einfach nur nicht darüber, dass es ihnen so geht. Finden Sie sich damit zurecht und bauen ihr Leben drumherum stabil auf, was uns nicht gelingt?

Das Leben in der Box

Ich denke, vielen Menschen geht es nicht so. Sie leben in einer Box, die ihr Leben darstellt. Die Wände sind ihre Sicherheiten, sie haben ein stabiles Fundament aus der Kindheit mitgebracht, auf das sie ihre Überzeugungen und Werte, ihre Pläne und Ziele aufbauen können. Neue Erfahrungen verstärken den Putz der Wände, machen die Box zu einem sicheren Ort, der Geborgenheit widerspiegelt.

Der Deckel bleibt geschlossen und sie fühlen sich wohl und sicher in ihrem Leben. Öffnet sich der Deckel mal, kommt das Konstrukt ins Wanken, die Stabilität schwindet und es wird begonnen sein Leben zu hinterfragen. Die unendliche Weite und die Nichtigkeit des eigenen Seins hat mit dem Öffnen des Deckels plötzlich Einzug in die vier Wände und bringt ein Gefühl von Unsicherheit mit sich. Der Putz beginnt zu bröckeln. Ein Beispiel hierfür wäre die Midlifecrisis.

Das Leben der Anderen

Wir, die anderen, unsicheren, haltlosen Menschen, wir stehen auf dem Boden unserer Box und haben keine Wände. Unser Fundament aus der Kindheit besteht aus Sand; Ideen, die uns einfallen, verschwinden darin und werden nicht mehr gefunden. Sicherheiten, die wir suchen und meinen zu finden, stellen wir als schützende Wände um uns herum auf, doch sie fallen immer wieder um. Einen Deckel kennen wir nicht. Alles strömt ungehindert an uns heran und schubst uns hin und her.

Verzweifelt suchen wir nach Stabilität, nach Schutz, wünschen uns eine stabile Box. Auf der Suche danach lassen wir immer mehr Ideologien auf uns nieder regnen, wir halten sie kurz, bauen eine Wand aus ihnen und schauen im Sand sitzend dabei zu, wie diese wieder in selbigem versinkt oder umkippt und wir nur knapp dem Erschlagenwerden entgehen.

Wir können keine Fassaden um uns herum errichten, können unsere Box nach außen nicht bunt dekorieren, obwohl es innen dunkel ist. Wir sind immer voll und ganz umrundbar, sichtbar und angreifbar. Spielen wir Theater haben wir keinen Rückzugsort, sondern müssen unsere Rolle immer spielen. Legen wir sie ab, sind wir nackt, verletzlich und ungeschützt.

Die Beziehungen der Boxlosen 

Menschen treten in unser Leben. Sind sie wie wir, stehen wir zusammen auf freiem Feld. Schutzlos allen Einflüssen ausgeliefert. Auch zusammen können wir keine Box um uns bauen, die dauerhaft wäre. Gelingt uns ein Rohbau, wird uns bald bewusst, dass der Platz für zwei Personen zu eng ist, die Dekorationen uns nicht entsprechen und wir reißen die Mauern wieder ein.

Tritt ein Mensch mit Box in unser Leben, werden wir immer versuchen, uns in seiner Box zuhause zu fühlen. Auch diese Box wird zu klein sein für zwei. Und der intakte Partner wird sich schnell beengt und beeinflusst fühlen und uns im hohem Bogen durch die Öffnung im Deckel verfrachten.
Oder aber wir sind schon so an die Weite und die Winde gewöhnt, dass wir uns eingesperrt fühlen und selbst das Weite suchen.

Vielleicht versuchen wir, ein Abbild seiner Box auf unseren Boden zu bauen, übernehmen seine Werte und Vorstellungen. Denn sie geben ihm Zufriedenheit und Sicherheit. Sollte das bei uns dann nicht auch klappen?
Manchmal hält das Quadrat an kopierten Illusionen eine Weile. Aber dennoch fehlt der Deckel und wir haben kein Fundament. Früher oder später wird ein Wind alles in sich zusammen sacken lassen und wir werden merken, dass es eben nicht unsere Pläne, Ziele und Sicherheiten waren, in die wir uns gezwängt hatten.

Da stehen wir nun wieder auf dem wackeligen Boden unsere Box. Sehen dabei zu, wie unsere Emotionen und Erinnerungen im Sand versinken. Spüren sie latent unter uns, merken wie sie Einfluss auf uns nehmen und können sie doch nicht greifen.
Wind, Wasser, Sonne, wie müssen lernen, damit zu leben. Schutzlos, hilflos, ausgeliefert. Wir werden immer härter kämpfen als Menschen mit Box. Wir werden uns immer schwerer tun, unseren Boden ein Zuhause zu nennen. Wir werden immer wieder scheitern, wenn wir Menschen an uns ran lassen. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht selbst im Sand versinken und in unseren Emotionen, Erinnerungen und Erfahrungen ein warmes Grab finden.

Nicht alles ist schlecht :)

Vielleicht schaffen wir es nie, uns ein festes Fundament zu gießen. Aber...
Wir haben den Vorteil, dass wir immer auf weichem Boden schlafen können, die Sterne über uns.
Wir fangen Träume und lassen wir wieder frei, wir wissen, wie sich Freiheit anfühlt,
wir können singen und unsere Stimme wird nicht von kalten Wänden zurück geworfen, sondern findet ihren Weg durchs All.
Wir können tanzen und stoßen nirgends an.
Unsere Gedanken ziehen weiter als bis zur nächsten Betonwand.
Wir kennen das Universum, die Welt um uns und die Weite, die Nichtigkeit von Boxen.

Wir können uns vielleicht nie anpassen, werden immer in unserem sandigen Quadrat in einer Welt zwischen Menschen mit Boxen leben müssen. Vielleicht können wir uns nie an die box-konforme Gesellschaft anpassen, finden nie unseren klassischen Weg, der von Boxbesitzern vorgegeben wird. Aber wir haben unendlich viel Fantasie. Wir kennen Welten, Vorstellungen und Ideen, die Boxbesitzer nie haben werden. Und wir kennen das Schöne, die Wunder um uns herum. Wir schauen weiter als zum Horizont.

Es wird nie leicht sein, aber wir leben. Intensiv und voller Leidenschaft. Wir sehen, was uns die Welt bietet, anstatt unsere Wände mit unseren Vorstellungen zu dekorieren. Vielleicht werden wir nie ankommen, uns nie geborgen fühlen, aber wir werden fühlen, träumen, fliegen...




  


Lass Deinen Horizont da anfangen, 
wo der anderer Menschen aufhört


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